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Leica M11

Micha
Leica M11 - Der Siebträger unter den Kameras

„Wenn du dir etwas den Kopf gesetzt hast, dann findest du einen Weg“

Es ist Januar 2023. Ich habe soeben den Leica Store Nürnberg betreten. Gegenüber von mir steht ein super entspannter Sebastian Scholz.

Erstaunlich, denn in den letzten Wochen, seit meinem zweiten Test der Leica M11 habe ich ihm förmlich in den Ohren gelegen, dass ich so eine Kamera haben muss.

Da ich nicht besonders gut im Sparen bin und die Banken derzeit utopisch hohe Zinsen für Spaßkredite verlangen, war die Aussicht eher schlecht. Doch noch bevor ich eines meiner Organe auf dem Schwarzmarkt verkaufen musste, hat Sebastian eine elegante Lösung gefunden.

Meine Frau sagte noch: „Micha, es ist schon erstaunlich, wenn du dir etwas in den Kopf gesetzt hast, dann findest du immer einen Weg“. Damit hat sie recht. Meistens.

Ohne Sebastians Hilfe hätte sich für mich keine Tür zur M11 geöffnet. Ich kann ihm dafür gar nicht genug danken. Ernsthaft, danke Sebastian!

Cool – Von wegen

Ich versuche nicht angespannt zu wirken. Im Laden setzen ich mich auf einen schwarzen Lederhocker. Dann stehe ich wieder auf, streife mir meine Schulterasche ab und setze mich wieder, nur um kurze Zeit erneut aufzustehen, um meine Jacke auszuziehen.

Ja, ich bin aufgeregt. Ich platze vor Anspannung. Aber ich möchte Sebastian auch nicht nerven. Immerhin habe ich ihn schon gebeten, die Kamera etwas früher abholen zu dürfen, auch wenn mein (erstes M) Objektiv noch nicht lieferbar ist. 

Ich versuche mich zusammenzureißen und nicht wie bei einem Banküberfall die Herausgabe der Kamera zu fordern. Sebastian und ich unterhalten uns noch einen kurzen Moment, dann läuft er schmunzelnd mit einem „na dann wollen wir mal…“ zum schwarzen Wandschrank und holt einen grau-beigen Karton heraus.

Er setzt sich mir gegenüber und drückt mir grinsend die Box in die Hand. Dazu ein kleines Taschenmesser mit Leica Logo.

Auf der Ecke des Kartons steht handschriftlich „M11 schwarz“.

Ist ja nicht so, dass ich nicht schon weiß, was drin ist. Trotzdem fängt das Kind in mir an, vor Freude noch wilder zu tanzen. Zwar soll der Kunde eigentlich nur den Inhalt dieses Kartons bekommen, aber es ist wie eine Art Geschenkpapier, das man öffnet, um zum eigentlichen Geschenk zu kommen.

Trotz Messer stelle ich mich tölpelhaft an und bekomme den Aufkleber nicht auf. Ich werde grinsend beobachtet. Dieser kleine Aufkleber… verdammt nochmal… offen, endlich.

Der Inhalt der Box-Box

Der erste Karton, die erste Box ist offen. Darin eine weitere Box. Sozusagen eine Box-Box. Ein silberfarbener Karton mit schwarzen Applikationen. Ich weiß ganz genau was sich darin befindet. Auch wenn der Auftritt weitaus weniger spektakulär ist, wie bei der Leica Q2, so kommt es auf den Inhalt an. Die Verpackung, das Schmuckkästchen der Q2 war zwar opulent, aber trotzdem lebt es seither auf dem Dachboden und findet kaum mehr Beachtung. Daher bin ich nicht böse, dass die Verpackung der M11 nicht so pompös ausfällt.

Natürlich nehme ich zuerst den M11 Body aus der Verpackung.

An dieser Stelle muss ich dann doch etwas anmerken: Sorry Leica, aber anstatt einer Plastiktüte, hätte es auch gerne ein Mikrofaser Stoffbeutel, oder ein Einschlagtuch sein dürfen, in dem ihr das Kameragehäuse verpackt. Das wäre diesem Produkt würdiger und hätte zudem den praktischen Nutzen, dass man gleich etwas hat, womit man die Sucherfenster sauber machen kann.

Jetzt halte ich sie in der Hand. Meine erste eigene Messsucherkamera. Meine erste M-Kamera. Meine Leica M11. Ich habe mich für ein schwarzes Exemplar entschieden. 100 Gramm weniger, aber vor allem das mattschwarze, leicht raue Finish des Gehäuses haben es mir angetan. Zwar ist die Silberne mehr “retro”, dafür ist die Schwarze unscheinbarer. Bei einem beinahe 2 Meter großen Kerl, wie ich es bin, fällt eine silbern leuchtende Kamera nochmal etwas mehr auf als die kleine Schwarze. Muss einfach nicht sein.

(K)eine Kamera für die Vitrine

Noch während ich die Kamera von allen Seiten begutachte, jedes Stück, jede Kante mit meinen Fingern abfahre, steht Sebastian erneut auf und fragt mich “wie siehts aus, willst du dir bis deins kommt auch ein Objektiv mitnehmen?”

Natürlich habe ich daran gedacht! Nur hätte ich nicht gewagt es auszusprechen, da ich den Bogen schlichtweg nicht überspannen wollte. Bei aller Vorfreude, hätte ich mich damit zufrieden gegeben, in den nächsten Wochen die Kamera einfach vor mir stehen zu haben und ansehen zu können, bis mein erstes eigenes Objektiv kommt.

Kurz darauf steht ein kleines Summicron-M 35mm aus der Pre-Owned Vitrine vor mir. Wow! Danke!

„Nicht der Fotograf sucht die Kamera aus, sondern die Kamera sucht sich den Fotografen aus“

Ich weiß nicht mehr, ob es an diesem Tag war, dass Sebastian diesen Satz zu mir sagte. Es war jedenfalls die Reaktion auf die Geschichte, warum ich die Leica M11 unbedingt haben wollte. Das, was ich dir in Teil 2 erzählt habe.

Er sagte „Nicht der Fotograf sucht die Kamera aus, sondern die Kamera sucht sich den Fotografen aus“.

Das gleiche sagt man, wenn es um Haustiere geht. In meinem Fall als: Nicht das Herrchen sucht sich die Katze aus, sondern die Katze sucht sich das Herrchen aus.

Alles wie vorher und doch alles anders

Doch was hat sich denn nun zur Q2 verändert? Ist doch nur eine Kamera? Auch die Brennweite ist kaum anders. 28mm versus 35. Warum keine 28? Warum die M und nicht mehr die Q2 mit Autofokus? Die paar Megapixel mehr? Der interne Speicher? Andere Kameras machen auch technisch gute Fotos und am Ende macht das Bild immer noch der Fotograf. Warum als eine Leica M? Mir sind viele Fragen begegnet und die Antworten waren immer die gleichen:

Es fühlt sich im Kopf anders an. Manche betiteln es mit dem Wort „Entschleunigung“. Ja, dass ist es auch und es ist noch viel mehr. Es ist das bewusste (Er)Leben der Fotografie.

Natürlich kann ich bei „modernen“ Kameras den Autofokus abstellen und manuell fokussieren. Jedoch macht man das selten. Hinzu kommt, dass das Fotografieren mit einem Messsucher, das Übereinanderlegen des Doppelbildes, der Sucherrahmen, das lebendige Bild, kein elektronischer Sucher, sich für mich anders, besser anfühlt.

Zudem spüre ich, wie ich mich dazu anhalte bewusster zu Fotografieren. Ich denke der Begriff „Entschleunigung“ setzt sich aus vielen einzelnen Facetten zusammen, die man lange erklären könnte und dann wäre es für den unbeteiligten (nicht M-) Fotografen immer noch schwer greifbar, weshalb sich das Fotografieren mit einer Leica M anders anfühlt.

Vollautomat vs. Siebträger

Manchen genügt es morgens einen Knopf zu drücken, das Geratter des Kaffee-Vollautomaten zu ertragen und dann das Endprodukt zu konsumieren.

Ich hingegen genieße es, morgens die Tüte mit den frischen Kaffeebohnen zu öffnen, daran zu riechen und eine Hand voll in die Mühle zu geben. Danach den Siebträger ausspannen, unter die Mühle halten und dabei zusehen wie das perfekt gemahlene Kaffeemehl im Siebträger landet. Kurz etwas klopfen, gerade streichen, festdrücken, dann in die Maschine einspannen. Eine Hand legt den Hebel um, die andere stellt eine Tasse unter. 

Nur wenige Momente später fließt der Espresso in einem dünnen Strahl und diesem ganz markanten Geräusch in die vorgewärmte Tasse. 

 

Allein der Weg zum Kaffee, das Ritual, welches damit einhergeht, fühlt sich für mich schon legendär gut an. Wenn dann noch das Resultat stimmt, war es ein perfektes Erlebnis.

Genauso erlebe ich es mit der Leica Messsucherkamera. Das Motiv im Messucher, die Haptik der Kamera, die Raster des Blendenrings, die Präzision des Fokusrings. Alles das macht für mich den Weg zum Resultat zu einem tolleren Erlebnis.

Besser spät als nie

Nicht ganz ein Jahr ist nun vergangen, seit meiner Bekenntnis zur Leica M. In diesem Jahr ist viel passiert. Mehr als ich mir zum damaligen Zeitpunkt hätte vorstellen können. Die Resultate sieht man in Bildform täglich auf Instagram und in unregelmäßigen Abständen auch hier im Blog. 

Die Freude an der Fotografie ist größer denn je und ich freue mich darauf, dir noch viele weitere Momente zeigen zu dürfen. 

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Micha
Leica M11 - Man sieht sich immer zwei Mal

Ein anstrengendes Jahr neigt sich dem Ende. Die mentale Belastung eines Arbeitsprojekts wirkt sich mittlerweile körperlich aus und sorgt dafür, dass ich seit Monaten schlecht schlafe. Zwei Stunden pro Nacht. Manchmal weniger.

Das Jahr war nicht minder erfolgreich. Sowohl in sportlicher, fotografischer als auch beruflicher Hinsicht war es wirklich gut. Jedoch macht es der Schlafmangel und die damit einhergehende Erschöpfung nahezu unmöglich, diese Erfolge zu fühlen.

Es ist Anfang Dezember 2022 und eine etwas ruhigere Phase ist angebrochen. Daher habe ich mich dazu entschlossen, so kurz vor Jahresende die Leica M11 vom Leica Store Nürnberg noch ein zweites Mal auszuleihen. Zwar habe ich zu Beginn des Jahres die erste Kostprobe mit einem „Ich bin mir nicht sicher, ob ich sowas brauche

beendet, jedoch war für mich bereits damals klar, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich diese Leica Kamera teste.

Zur Vorbereitung auf den #DonnersTalk – ISO invariante Sensoren hatte ich zwischenzeitlich einige andere Leica Modelle in der Hand. Eine SL2, SL2-S, M10, M10 Monochrom und erneut die silberne M11. Warum ich das „silbern“ so betone, erfährst du gleich.

Die SL-Kameras sind zwar auch toll, jedoch für das, was ich vorhabe, zu groß. Der Formfaktor der M-Kamera-Gehäuse erinnert an meine Q2. Jedoch mit einer noch schöneren Oberfläche und weicheren Belederung.

Vorbereitungen hatte ich zudem ein 35er Summicron-M. Dabei wurde mir klar: Nicht die Kamera allein war bei meinem ersten Test „so schwer“. Das 50er Summilux-M f/1.4 hat einen maßgeblichen Teil dazu beigetragen.

Du musst wissen, dass die Silberne M11 eine Messingplatte an der Oberseite des Kamerabodys verbaut hat. Diese macht die Kamera 100 Gramm schwerer als ihre schwarze Schwester. Das 50mm Summilux-M f/1.4 ist ebenso an vielen Stellen aus Messing gefertigt. Diese Kombination war es, die mir damals dieses „schwere Gefühl“ vermittelt hat.

Die Äußerlichkeiten

Bei den Vorbereitungen war mir zudem bewusst, dass es keine M vor der „Elfer“ für mich sein könnte. Die Bodenplatte der älteren Modelle nervt mich. Ich spüre weder das nostalgische Gefühl, das ein alteingesessener M-Fotograf hat, noch habe ich ein Problem damit, Traditionen zu brechen. Aufschrauben, Abnehmen, Speicherkarte bzw. Batterie entnehmen und dann wieder alles zurück. Unnötiges Gefummel immer nahe dran, etwas fallen zu lassen. Nichts für mich.

Bei der Leica M11 gibt es keine Bodenplatte mehr. Der Akku kann direkt entnommen werden. Ähnlich wie bei der Q2 oder den SL2-Modellen hat auch die M11 einen Riegel, mit dem man den Akku löst. Damit dieser nicht sofort zu Boden fallen kann, muss man ihn noch einmal kurz „anstupsen“, und er kann entnommen werden. Darunter befindet sich die Speicherkarte.

Zugegeben, auch keine 100%ige Lösung, aber immerhin eine Verbesserung. Die Q2 mit zwei getrennten Fächern ist da noch einmal entspannter.

Nun könnte ich Vermutungen dazu anstellen, warum dem so ist. Vielleicht, weil Leica davon ausgeht, dass der geneigte M-Fotograf seine Bilder nicht nach jedem Fotowalk überträgt. Vielleicht auch, weil die Leica M11 mittels Kabel ausgelesen werden kann. Das ist leider eine eher halbfertige Lösung.

So kann man die Kamera zwar mittels USB-C-Kabel an den Rechner anschließen. Auf dem Mac wird diese dann aber als Gerät, nicht jedoch als Wechselmedium erkannt. Das hat zur Folge, dass man die Aufnahmen zwar in Lightroom oder mit der Apple eigenen „Digitale Bilder“ App übertragen kann, jedoch nicht mit Programmen wie z. B. Photo Mechanic, welche nur auf Speichermedien zugreifen.

Oder aber, man verwendet das mitgelieferte USB-C-auf-Lightning-Kabel und schließt die Kamera direkt an ein iPad oder iPhone an und liest diese mit der Leica Fotos App aus. Das geht übrigens auch per WiFi. Da ich meine Bilder aber gerne auf einem großen Bildschirm bearbeite, mache ich das eher selten.

So bleibt mir derzeit nur, den Akku zu entfernen, um dann die Speicherkarte zu entnehmen.

Ich hoffe, Leica legt an dieser Stelle noch einmal Hand an und reicht die Möglichkeit nach, die Kamera als Wechselmedium auf macOS einzubinden.

Im Dunkeln zeigt die M11 ihre Stärken

Aufgrund meiner Erfahrungen während der Donnerstalk-Vorbereitungen nehme ich somit diesmal das Summicron-M 35mm f/2.0 mit. Zwar wieder auf der silbernen M11, aber auch nur, weil es keinen schwarzen Vorführer gibt und auch keine schwarze M11 auf Lager ist.

Wie meine Q2 begleitet mich die M11 auf meinen alltäglichen Wegen und bei jeder sich ergebenden Möglichkeit, um sie so viel wie möglich auszuprobieren.

Wir erinnern uns, es ist Dezember. Ich komme meist erst zum Anbruch der Dunkelheit aus dem Haus und bin erstaunt, was diese Kamera im Stande ist in Low-Light-Situationen zu leisten. Die feinen Schattenverläufe und die Fähigkeit des Sensors, auch große Dynamikbereiche abzudecken, sticht dabei hervor. Es erinnert ein wenig an die M10 Monochrom, welche selbst aus dunklen Bereichen noch einmal mehr Details herausholt, jedoch in Farbe und gefühlt noch einmal etwas schärfer.

Seit langer Zeit fange ich wieder an, ganz bewusst Umwege in Kauf zu nehmen. Ich parke nicht mehr direkt am Ziel, sondern entfernt, um den Weg zum Fotografieren nutzen zu können.

Auf den Weihnachtsmärkten der Region teste ich die Leica M11 ausgiebig. Dabei fallen mir gleich ein paar Dinge auf.

Trotz der zum Teil massiven Helligkeitsunterschiede zwischen den eher schlecht beleuchteten Passanten in den Zwischengängen und den hellen Standbeleuchtungen schafft die M11 den Spagat und bildet meisterhaft ab. Die Aufnahmen wirken über den kompletten Dynamikbereich ausgewogen und natürlich.

Sofern man mit seiner Belichtungszeit nicht vollkommen daneben liegt, lassen sich zudem im DNG auch über- und unterbeleuchtete Teile mühelos wieder „zurückholen“.

Ich lass für dich das Licht rein

Der perfekte Zeitpunkt, um die neue Belichtungsmessmethode zu erwähnen. Früher wurde die Belichtung anhand eines separaten Belichtungsmessers ermittelt. Dieser hat das einfallende Licht auf dem Verschlussvorhang (dort war ein Heller Bereich aufgebracht) ermittelt und eine entsprechende Belichtungsempfehlung ausgesprochen.
Bei der Leica M11 wird die Belichtung über den Sensor gemessen. Das sorgt für präzisere Messergebnisse und schafft die Möglichkeit zwischen verschiedenen Messmethoden (Spot, Mittenbetont, Helle Bereiche betont, Mehrfeld) wechseln zu können.
Für mich ein weiterer Grund zur M11 und nicht zu einer Vorgänger-M zu greifen.

Einen Wehrmutstropfen gibt es dabei dennoch. Durch dieses Verfahren lässt Leica den Verschluss doppelt fahren. Dies führt zu einer leichten Verzögerung bei der Aufnahme. So ist der Zeitpunkt vom Drücken des Auslösers und der Moment, in dem die Aufnahme erfolgt leicht versetzt. Es braucht einen Moment, bis man sich daran gewöhnt hat.

Es gibt nur eins was besser ist als eine schnelle Linse, eine noch schnellere Linse!

Eine Woche lang teste ich die Kamera mit dem Summicron-M 35/2.0. Ein tolles Objektiv. Klein, handlich, unscheinbar, scharf. Ich merke aber auch, dass mir manchmal die zwei Blenden „nach unten“ fehlen und ich gerne etwas „mehr Licht auf dem Sensor“ hätte. Daher leihe ich mir für ein paar Tage noch ein Summilux-M 35/1.4 ASPH aus.

Dann passiert wieder einer dieser Momente. So wie schon das rostige Seil aus Teil 1 dieser Artikelserie, entsteht ein ganz banaleres Bild, das mich aber vollkommen einnimmt.

Einfacher ist manchmal besser

Wahrscheinlich ist es genau das, was mich so anmacht. So eine einfache Situation. So ein einfaches Bild. So exzellent abgebildet. Es zieht mich förmlich in das Foto hinein. Es hat so viele verschiedene Ebenen und eine greifbare Plastizität. Obwohl das Bild so vollgepackt ist mit Kleinigkeiten, wirkt es auf mich nicht unruhig.

Die Leica M11 hat keinen Autofokus. Sie hat keinen elektronischen Sucher. Sie ist nochmal weniger Technik als meine Q2 und trotzdem gibt sie mir nochmal so viel mehr.

Ein Messsucher führt noch lange nicht zu einem besseren Bild. Jedoch verändert es die Art und Weise, wie der Mensch hinter dem Sucher fotografiert.

Entschleunigung ≠ Langsamkeit

Viele sprechen immer von „Entschleunigung“, wenn man mit einer Leica M-Kamera fotografiert. Auch wenn ich diesen Begriff gerne vermeiden würde, weil viele ihn mit „Langsamkeit“ gleichsetzen, so trifft er dennoch am besten auf das zu, was bei der Fotografie mit einer Leica M mit der Person hinter dem Sucher geschieht.

Ich muss bewusst „die zwei Fenster“ übereinander legen um meinen Schärfepunkt zu setzen und kann erst dann meinen endgültigen Bildausschnitt wählen. Das ähnelt zwar dem Fotografieren mit dem Center Spot an einer AF-Kamera, bei dem man erst auf das Objekt fokussiert und dann den Ausschnitt verändert,  doch der Messsucher entschleunigt diesen Prozess und sorgt dadurch für eine noch bewusstere Wahrnehmung des Bildausschnitts.

Es ist wie tief einatmen

Jemand sagte mal zu mir „Wenn du mal nicht weiter weißt, oder es hektisch wird, dann atme tief ein und die Welt dreht sich für einen Moment langsamer“.

Die eineinhalb Wochen mit der Leica M11 haben sich angefühlt wie stetes tiefes Durchatmen. Sie hat mich aus dem Chaos das in meinem Kopf herrschte herausgeholt. Ich habe angefangen die einzelnen Moment wieder bewusster wahrzunehmen. So als würde ich durch einen Messsucher auf sie blicken.

Die schlaflosen Nächte hatten ein Ende. Ich konnte endlich wieder mehrere Stunden am Stück schlafen. So wurde dieser Kamera mehr als nur zu einem Objekt der Begierde.

Sie wurde zu einer Herzensangelegenheit.

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Micha
Leica M11 - Ich bin mir nicht sicher, ob ich sowas brauche

Nicht jede Liebesgeschichte beginnt mit einem filmreifen Start und manche hat auch kein Happy End. Als Kind der Neuzeit konnte ich mir (selbst mit meinen beinahe 40 Jahren) nicht vorstellen eine Kamera ohne Autofokus zu verwenden.  Nachdem mich meine Leica Q2 total abgeholt hat, musste ich mir aber trotzdem so eine Leica M Kamera mal ansehen.

MESSSUCHER - KEIN EVF, KEIN AUTOFOKUS, OBJEKTIVE MIT OHNE ELEKTRONIK

Auf den ersten Blick spricht so viel dagegen, eine M-Kamera zu verwenden. Spiegelreflexkameras wurden schon lange durch spiegellose Systeme abgelöst und elektronische Sucher (EVF – Electronic Viewfinder) sind mittlerweile so hochauflösend und scharf, dass kaum etwas dafür spricht, auf sie zu verzichten. Dann noch eine Kamera ohne Autofokus – wie absurd! Warum macht man das?

Da ich aber schon immer jemand bin, der gerne über den Tellerrand blickt und noch dazu jemand, der mit einer gehörigen Portion Neugier ausgestattet ist, habe ich im Frühjahr 2022 beim Leica Store Nürnberg nachgefragt, ob ich die M11 mal testen darf. Die Erfahrungen mit der Q2 gepaart mit dem Wissen zum neuen Sensor in der M11 ließen gar nichts anderes zu!

Zugegeben, dieser „Vorgang“ verdient seine ganz eigene Geschichte, jedoch fasse ich kurz zusammen was dann passierte.

Tatsächlich war es nämlich so, dass ich sehr zurückhaltend auf Instagram beim Leica Store Nürnberg angefragt habe, ob es denn nicht eventuell, vielleicht, irgendwann mal möglich wäre eine Leica M11 zu testen. Eventuell, vielleicht, irgendwann, irgendwie auch ein paar Tage.

Ich war es nun mal gewohnt, dass man eine Kamera, wenn überhaupt im Laden testen darf.

Sofern es einen Vorführer gibt und dann auch nur angebunden an einer Schnur, die wenn sie locker wird sofort einen schrillenden Alarm auslöst, welche einem den Schweiß auf die Stirn treibt und eine sofortige Schockstarre auslöst.

Ein paar Tage später stehe ich dann aber schon im Leica Store. Zum ersten Mal treffe ich auf Sebastian, den Store Manager und einen Sekundenbruchteil später halte ich eine silberne Leica M11 in der Hand mit einem ebenfalls silbernem Summilux-M 50mm/1.4.

Erstaunlich schwer!

Im Vergleich zur Q2 ist die M11 trotz ähnlicher Abmaße erstaunlich schwer. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht warum. Erst ein halbes Jahr später, als ich mich intensiver mit dem M-System und seinen Objektiven befasse, erfahre ich, dass die silberne M11 eine Messing-Platte auf der Oberseite hat. Ebenso ist das silberne Summilux zum Teil aus Messing gefertigt, was in Kombination ein deutlich spürbares Mehrgewicht ausmacht.

"NIMM SIE EINFACH MAL ÜBERS WOCHENENDE MIT UND PROBIER AUS"

Ohne auch nur eine Unterschrift geleistet zu haben verlasse ich mit der Kamera samt Objektiv den Leica Store. Das fühlt sich ungewohnt, fast schon falsch an. Die ersten hundert Meter warte ich darauf, dass mir doch noch jemand hinterherruft, dass ich was vergessen habe, oder etwas unterschreiben muss. Nein, keine Schreie, ich werde nicht verfolgt, alles OK. Kein Zettel auf dem geschrieben stand, dass ich von einer mit Baseballschlägern und Macheten bewaffneten Schlägertruppe besucht werden, sollte ich „das Zeug“ nicht zurückbringen.

Da liegt die M11 nun. Auf dem Beifahrersitz neben meiner Q2. Ich kann es mir nicht verkneifen auf dem Heimweg einen langen Umweg zu fahren und die blaue Stunde für die ersten Testbilder mit der Leica M11 zu nutzen.

Ich lasse es ruhig angehen, halte in einem zu dieser Uhrzeit menschenleeren Industriegebiet und mache dort die ersten Aufnahmen.

Es ist ungewohnt

Der eingefleischte Leica M-Fotograf wird sich jetzt denken „ja klar, du hast wahrscheinlich nur Ausschuss produziert, weil du mit dem Messsucher nicht fotografieren konntest“.

Genau so ist es... nicht!

Das „echte Bild“ im Sucher zu sehen, ist schon länger her. Zuletzt vor einigen Jahren, als ich noch mit meinem Nikon Spiegelreflexkameras fotografiert habe. Seither hatte ich immer einen elektronischen Sucher, der mir in Echtzeit angezeigt hat, wie das Bild aussehen wird und welche Auswirkung meine Einstellungen auf das Bild haben.

Jetzt muss ich mich wieder auf Erfahrungswerte verlassen. Vor allem bei der ISO-Empfindlichkeit fällt mir das erstaunlich schwer. Dabei war das in DSLR Zeiten Gang und gäbe.

Zudem empfinde ich es zu diesem Zeitpunkt als störend, dass ein Teil des Suchers durch das Objektiv verdeckt wird. Ich habe das Gefühl mir „fehlt etwas“, dass ich zum Anfertigen des Bildes sehen muss.

Die Bilder, welche an diesem Abend entstehen haben allerdings etwas Besonderes an sich.

Erst Jahr später kann ich auch in Worte fassen, was das ist. Damals sahen sie einfach nur toll aus. Im Vergleich mit den schon schönen Bildern der Q2 nochmal einen Hauch „magischer“. Dazu gleich mehr.

Als ich nach Hause komme fragt mich meine Frau schmunzelnd „na, wie ist die M11“ und ich sage eher nüchtern „spannend“.

"Spannend"

Nicht zu verwechseln mit dem „Interessant“ eines früheren Fernsehkochs, der damit abwertend seine  Enttäuschung zum Ausdruck gebracht hat.

Es ist eher ein Stück weit Unsicherheit, dass sich an diesem Abend in mir breit macht.
Auf der einen Seite fühlt sich diese Kamera haptisch gut an, wenngleich ich sie als etwas zu schwer empfinde. Die Bilder? Toll! Aber reicht das im Vergleich zu meiner Leica Q2, um den entscheidenden Unterschied zu machen?

An nächsten Mittag

Ich habe mir etwas zu viel Zeit an diesem Vormittag gelassen und komme erst zur Mittagszeit los. Es ist ein wolkenloser, sonniger Frühlingstag und ich bin gerade auf dem Weg zum Zeppelinfeld in Nürnberg. Das erste Bild des Tages: Ein rostiges Seil.

Warum in aller Welt gefällt mir dieses einfache Bild so sehr?

Eigentlich wollte ich doch nur mein Können auf die Probe stellen und mit dem kleinstmöglichen Abstand bei Blende 1.4 scharf stellen. Doch so banal das Motiv ist, so sehr führt es mir die Stärke der M11 vor Augen.

Zwar unterscheidet sich die Farbwiedergabe kaum von der Q2, jedoch gibt der hohe Grad an Mikrokontrasten den Bildern aus der M11 noch einmal mehr Dreidimensionalität. Es ist, als könnte ich mit meinen Fingern über das Foto streichen und die Struktur des Seils fühlen. Als könnte ich mit meinem Fingernagel den Rost abkratzen. Hinzu kommt, dass Schattenverläufe detaillierter sind. Das habe ich jedoch zu einem späteren Zeitpunkt festgestellt, als ich die Q und die M Seite an Seite getestet habe. Die Schatten laufen bei der M11 weicher und länger aus, was den Bildern einen noch natürlicheren Look gibt. (Leica Look? 😉 )

Ich konzentriere mich an diesem Tag nur auf das Fotografieren. Kein Pixel Peeping. Die Bilder werden erst zu Hause angesehen. So mache ich den Großteil der Fotos an diesem Tag mit der M11. Mal mit dem Messsucher, mal mit dem Liveview. Aber auch die Q2 ist dabei und macht das eine oder andere „Vergleichsbild“.

Kleine Anstrengungen

Es gibt auch Stolperstellen. Viele Texturen sind anstrengend. Oberflächen mit vielen Details machen es mir schwer mit dem Messsucher den Schärfepunkt zu platzieren. Ohne Referenz, zum Beispiel eine Linie, oder Kante, bzw. ein eindeutiges Objekt in der Nähe laufen mir förmlich die Augen über. Die Momente sind zwar selten, aber sie sind vorhanden.

Abgerechnet wird zum Schluss

Der Tag fühlt sich dennoch gut an. Zwar wurde die Leica M11 samt Objektiv auch an diesem Tag nicht leichter, aber das Fotografieren mit ihr fühlte sich gut an.

Am Abend holt mich jedoch die Ernüchterung ein, als ich feststelle, dass die Bilder an Kontrastkanten Farbsäume haben. Hinzu kommt, dass das harte Licht der hochstehenden Sonne bei Offenblende dafür gesorgt hat, dass die Bilder allesamt etwas flau wirken.

Das kannte ich von meinem bisherigen Equipment nicht. Klar, Mittagszeit, hochstehende Sonne, hartes Licht, das ist eine Herausforderung, aber auch die Q2 hatte damit keine Probleme.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich sowas brauche

Nach dem Wochenende bringe ich das Equipment zurück in den Leica Store. Noch während ich den Satz „Ich bin mir nicht sicher, ob ich sowas brauche“ ausspreche, bemerke ich, dass das furchtbar undankbar klingt. Mist! Ich schildere Sebastian die Erlebnisse und er erklärt mir, dass er dafür volles Verständnis hat, es jedoch bei diesem Objektiv und diesen Lichtbedingungen durchaus vorkommen kann.

So wenig, wie ihm zu diesem Zeitpunkt bewusst war, dass ich keine Ahnung von Leica Objektiven hatte, so wenig war mir bewusst, dass dieses Objektiv fast 2 Jahrzehnte alt ist. Zum Produktionszeitpunkt gab es schlichtweg keine so hochauflösenden Sensoren, wie den der M11 und dadurch fielen solche Probleme auch nicht so sehr ins Gewicht. Das ist auch der Grund, warum die Q2 hier besser performed hat. Kamera und Objektiv sind brandaktuell und aufeinander abgestimmt. Zwischen Kamera und Objektiv liegen keine 20 Jahre Produktionszeitraum.

Es bleibt zwar dennoch fürs Erste der Eindruck einer zu schweren Kamera, die nicht in jeder Situation zielsicher abgeliefert hat, aber auch das Bewusstsein, dass das bestimmt nicht alles gewesen ist.

Zu diesem Zeitpunkt hat diese Liebesgeschichte zwar kein Happy End, aber sie verpflichtet zu einer Fortsetzung.

Bis bald in Teil 2!

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