Ein anstrengendes Jahr neigt sich dem Ende. Die mentale Belastung eines Arbeitsprojekts wirkt sich mittlerweile körperlich aus und sorgt dafür, dass ich seit Monaten schlecht schlafe. Zwei Stunden pro Nacht. Manchmal weniger.
Das Jahr war nicht minder erfolgreich. Sowohl in sportlicher, fotografischer als auch beruflicher Hinsicht war es wirklich gut. Jedoch macht es der Schlafmangel und die damit einhergehende Erschöpfung nahezu unmöglich, diese Erfolge zu fühlen.
Es ist Anfang Dezember 2022 und eine etwas ruhigere Phase ist angebrochen. Daher habe ich mich dazu entschlossen, so kurz vor Jahresende die Leica M11 vom Leica Store Nürnberg noch ein zweites Mal auszuleihen. Zwar habe ich zu Beginn des Jahres die erste Kostprobe mit einem „Ich bin mir nicht sicher, ob ich sowas brauche“
beendet, jedoch war für mich bereits damals klar, dass es nicht das letzte Mal war, dass ich diese Leica Kamera teste.
Zur Vorbereitung auf den #DonnersTalk – ISO invariante Sensoren hatte ich zwischenzeitlich einige andere Leica Modelle in der Hand. Eine SL2, SL2-S, M10, M10 Monochrom und erneut die silberne M11. Warum ich das „silbern“ so betone, erfährst du gleich.
Die SL-Kameras sind zwar auch toll, jedoch für das, was ich vorhabe, zu groß. Der Formfaktor der M-Kamera-Gehäuse erinnert an meine Q2. Jedoch mit einer noch schöneren Oberfläche und weicheren Belederung.
Vorbereitungen hatte ich zudem ein 35er Summicron-M. Dabei wurde mir klar: Nicht die Kamera allein war bei meinem ersten Test „so schwer“. Das 50er Summilux-M f/1.4 hat einen maßgeblichen Teil dazu beigetragen.
Du musst wissen, dass die Silberne M11 eine Messingplatte an der Oberseite des Kamerabodys verbaut hat. Diese macht die Kamera 100 Gramm schwerer als ihre schwarze Schwester. Das 50mm Summilux-M f/1.4 ist ebenso an vielen Stellen aus Messing gefertigt. Diese Kombination war es, die mir damals dieses „schwere Gefühl“ vermittelt hat.
Die Äußerlichkeiten
Bei den Vorbereitungen war mir zudem bewusst, dass es keine M vor der „Elfer“ für mich sein könnte. Die Bodenplatte der älteren Modelle nervt mich. Ich spüre weder das nostalgische Gefühl, das ein alteingesessener M-Fotograf hat, noch habe ich ein Problem damit, Traditionen zu brechen. Aufschrauben, Abnehmen, Speicherkarte bzw. Batterie entnehmen und dann wieder alles zurück. Unnötiges Gefummel immer nahe dran, etwas fallen zu lassen. Nichts für mich.
Bei der Leica M11 gibt es keine Bodenplatte mehr. Der Akku kann direkt entnommen werden. Ähnlich wie bei der Q2 oder den SL2-Modellen hat auch die M11 einen Riegel, mit dem man den Akku löst. Damit dieser nicht sofort zu Boden fallen kann, muss man ihn noch einmal kurz „anstupsen“, und er kann entnommen werden. Darunter befindet sich die Speicherkarte.
Zugegeben, auch keine 100%ige Lösung, aber immerhin eine Verbesserung. Die Q2 mit zwei getrennten Fächern ist da noch einmal entspannter.
Nun könnte ich Vermutungen dazu anstellen, warum dem so ist. Vielleicht, weil Leica davon ausgeht, dass der geneigte M-Fotograf seine Bilder nicht nach jedem Fotowalk überträgt. Vielleicht auch, weil die Leica M11 mittels Kabel ausgelesen werden kann. Das ist leider eine eher halbfertige Lösung.
So kann man die Kamera zwar mittels USB-C-Kabel an den Rechner anschließen. Auf dem Mac wird diese dann aber als Gerät, nicht jedoch als Wechselmedium erkannt. Das hat zur Folge, dass man die Aufnahmen zwar in Lightroom oder mit der Apple eigenen „Digitale Bilder“ App übertragen kann, jedoch nicht mit Programmen wie z. B. Photo Mechanic, welche nur auf Speichermedien zugreifen.
Oder aber, man verwendet das mitgelieferte USB-C-auf-Lightning-Kabel und schließt die Kamera direkt an ein iPad oder iPhone an und liest diese mit der Leica Fotos App aus. Das geht übrigens auch per WiFi. Da ich meine Bilder aber gerne auf einem großen Bildschirm bearbeite, mache ich das eher selten.
So bleibt mir derzeit nur, den Akku zu entfernen, um dann die Speicherkarte zu entnehmen.
Ich hoffe, Leica legt an dieser Stelle noch einmal Hand an und reicht die Möglichkeit nach, die Kamera als Wechselmedium auf macOS einzubinden.
Im Dunkeln zeigt die M11 ihre Stärken
Aufgrund meiner Erfahrungen während der Donnerstalk-Vorbereitungen nehme ich somit diesmal das Summicron-M 35mm f/2.0 mit. Zwar wieder auf der silbernen M11, aber auch nur, weil es keinen schwarzen Vorführer gibt und auch keine schwarze M11 auf Lager ist.
Wie meine Q2 begleitet mich die M11 auf meinen alltäglichen Wegen und bei jeder sich ergebenden Möglichkeit, um sie so viel wie möglich auszuprobieren.
Wir erinnern uns, es ist Dezember. Ich komme meist erst zum Anbruch der Dunkelheit aus dem Haus und bin erstaunt, was diese Kamera im Stande ist in Low-Light-Situationen zu leisten. Die feinen Schattenverläufe und die Fähigkeit des Sensors, auch große Dynamikbereiche abzudecken, sticht dabei hervor. Es erinnert ein wenig an die M10 Monochrom, welche selbst aus dunklen Bereichen noch einmal mehr Details herausholt, jedoch in Farbe und gefühlt noch einmal etwas schärfer.
Seit langer Zeit fange ich wieder an, ganz bewusst Umwege in Kauf zu nehmen. Ich parke nicht mehr direkt am Ziel, sondern entfernt, um den Weg zum Fotografieren nutzen zu können.
Auf den Weihnachtsmärkten der Region teste ich die Leica M11 ausgiebig. Dabei fallen mir gleich ein paar Dinge auf.
Trotz der zum Teil massiven Helligkeitsunterschiede zwischen den eher schlecht beleuchteten Passanten in den Zwischengängen und den hellen Standbeleuchtungen schafft die M11 den Spagat und bildet meisterhaft ab. Die Aufnahmen wirken über den kompletten Dynamikbereich ausgewogen und natürlich.
Sofern man mit seiner Belichtungszeit nicht vollkommen daneben liegt, lassen sich zudem im DNG auch über- und unterbeleuchtete Teile mühelos wieder „zurückholen“.
Ich lass für dich das Licht rein
Der perfekte Zeitpunkt, um die neue Belichtungsmessmethode zu erwähnen. Früher wurde die Belichtung anhand eines separaten Belichtungsmessers ermittelt. Dieser hat das einfallende Licht auf dem Verschlussvorhang (dort war ein Heller Bereich aufgebracht) ermittelt und eine entsprechende Belichtungsempfehlung ausgesprochen.
Bei der Leica M11 wird die Belichtung über den Sensor gemessen. Das sorgt für präzisere Messergebnisse und schafft die Möglichkeit zwischen verschiedenen Messmethoden (Spot, Mittenbetont, Helle Bereiche betont, Mehrfeld) wechseln zu können.
Für mich ein weiterer Grund zur M11 und nicht zu einer Vorgänger-M zu greifen.
Einen Wehrmutstropfen gibt es dabei dennoch. Durch dieses Verfahren lässt Leica den Verschluss doppelt fahren. Dies führt zu einer leichten Verzögerung bei der Aufnahme. So ist der Zeitpunkt vom Drücken des Auslösers und der Moment, in dem die Aufnahme erfolgt leicht versetzt. Es braucht einen Moment, bis man sich daran gewöhnt hat.
Es gibt nur eins was besser ist als eine schnelle Linse, eine noch schnellere Linse!
Eine Woche lang teste ich die Kamera mit dem Summicron-M 35/2.0. Ein tolles Objektiv. Klein, handlich, unscheinbar, scharf. Ich merke aber auch, dass mir manchmal die zwei Blenden „nach unten“ fehlen und ich gerne etwas „mehr Licht auf dem Sensor“ hätte. Daher leihe ich mir für ein paar Tage noch ein Summilux-M 35/1.4 ASPH aus.
Dann passiert wieder einer dieser Momente. So wie schon das rostige Seil aus Teil 1 dieser Artikelserie, entsteht ein ganz banaleres Bild, das mich aber vollkommen einnimmt.
Einfacher ist manchmal besser
Wahrscheinlich ist es genau das, was mich so anmacht. So eine einfache Situation. So ein einfaches Bild. So exzellent abgebildet. Es zieht mich förmlich in das Foto hinein. Es hat so viele verschiedene Ebenen und eine greifbare Plastizität. Obwohl das Bild so vollgepackt ist mit Kleinigkeiten, wirkt es auf mich nicht unruhig.
Die Leica M11 hat keinen Autofokus. Sie hat keinen elektronischen Sucher. Sie ist nochmal weniger Technik als meine Q2 und trotzdem gibt sie mir nochmal so viel mehr.
Ein Messsucher führt noch lange nicht zu einem besseren Bild. Jedoch verändert es die Art und Weise, wie der Mensch hinter dem Sucher fotografiert.
Entschleunigung ≠ Langsamkeit
Viele sprechen immer von „Entschleunigung“, wenn man mit einer Leica M-Kamera fotografiert. Auch wenn ich diesen Begriff gerne vermeiden würde, weil viele ihn mit „Langsamkeit“ gleichsetzen, so trifft er dennoch am besten auf das zu, was bei der Fotografie mit einer Leica M mit der Person hinter dem Sucher geschieht.
Ich muss bewusst „die zwei Fenster“ übereinander legen um meinen Schärfepunkt zu setzen und kann erst dann meinen endgültigen Bildausschnitt wählen. Das ähnelt zwar dem Fotografieren mit dem Center Spot an einer AF-Kamera, bei dem man erst auf das Objekt fokussiert und dann den Ausschnitt verändert, doch der Messsucher entschleunigt diesen Prozess und sorgt dadurch für eine noch bewusstere Wahrnehmung des Bildausschnitts.
Es ist wie tief einatmen
Jemand sagte mal zu mir „Wenn du mal nicht weiter weißt, oder es hektisch wird, dann atme tief ein und die Welt dreht sich für einen Moment langsamer“.
Die eineinhalb Wochen mit der Leica M11 haben sich angefühlt wie stetes tiefes Durchatmen. Sie hat mich aus dem Chaos das in meinem Kopf herrschte herausgeholt. Ich habe angefangen die einzelnen Moment wieder bewusster wahrzunehmen. So als würde ich durch einen Messsucher auf sie blicken.
Die schlaflosen Nächte hatten ein Ende. Ich konnte endlich wieder mehrere Stunden am Stück schlafen. So wurde dieser Kamera mehr als nur zu einem Objekt der Begierde.
Sie wurde zu einer Herzensangelegenheit.
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