Leica Q2 - Die emotionale Wahrheit
Es sind auf den Tag genau 382 Tage vergangen, seitdem ich das erste Bild mit der Leica Q2 aufgenommen habe. Die Ergebnisse dieser Zeit findest du zu Hauf auf dieser Webseite.
Doch wie hat sich die Q2 in dieser Zeit geschlagen? Hat sie meinen Wunsch nach einer ständigen Begleiterin erfüllen können?
Die ersten Gehversuche mit einer neuen Kamera geschehen bei mir meist zu Hause. Ich probiere die Funktionen aller Knöpfe aus, gehe durch die Menüs und stelle die Kamera einmal auf das Grundsätzlichste ein. Wenn das geschehen ist, mache ich die ersten Testbilder. Dabei versuche ich verschiedene Einstellungen (z.B. Autofokus-Arten) und gewöhne mich an die Tastenbelegung, oder passe diese an. Gleiches mit den anderen Einstellungen.
Nun, das hier ist das erste Bild, dass ich mit der Q2 gemacht habe.
„Ookaaay, keine künstlerische Meisterleistung“ wirst du jetzt sagen. Ja, richtig, ABER…
Willkommen im Testzoo der Fellnasen
Das ist Charlie. Charlie ist 13 Jahre alt und mein vierbeiniger bester Kumpel. Er ist immer da, wo ich gerade bin. Mal sitzt er -wie hier- neben mir auf dem Schreibtisch. Mal springt er wie wild durch die Wohnung und manchmal hält er ganz entspannt seine rosa Fellnase in die Sonne (leider nicht im Bild, weil abwesend).
Das macht ihn zum perfekten Fotomotiv. Man kann die Schärfe, den Autofokus, die „Filmlooks“ und viele andere Einstellungen testen.
Hinzu kommt ein weiterer großer Vorteil: Unfassbar viele kleine Haare in unterschiedlichen Farbennuancen. Schauen wir also mal genauer hin.
Das ist ein 100 Prozent-Auschnitt aus der unbearbeiteten RAW-Datei des Bildes. Dabei fällt schnell auf, dass selbst bei diesem kleinen Bildausschnitt die Details noch sehr gut erkennbar sind. Das Bild wirkt ruhig, ist scharf, aber nicht überschärft. Trotz des beachtlichen Abstands zum Motiv ist ein sanfter Schärfeverlauf erkennbar.
Ähnliche Aufnahmen habe ich bereits mit anderen Kameras gemacht. Dort war es mitunter mal der Fall, dass die Bilder zwar scharf waren, jedoch die vielen feinen Details schon fast störend wirkten. Als würden das Kamerasystem, vielleicht aber auch die optische „Eigenschaften“ der Objektive eine Überzeichnung herbeiführen. Das hatte auch den Effekt, dass trotz entsprechender Blende das Bild einen schlechteren Schärfe-Verlauf zeigte.
Immer noch zu Hause kam dann auch der zweite Teppichporsche vorbei. Olaf (5 Jahre).
DIESE BILD IST IN VIELERLEI HINSICHT VERRÜCKT!
Zum einen ist verrückt, dass Olaf, seines Zeichens Bengalkater, still im Katzenkorb liegt. Bengalen sind eher so die Flummies in der so eleganten Haustiergattung namens „Katze“.
Zum anderen ist verrückt, dass dieses Bild dank Bildstabilisator und Gesichts-AF (der auch bei Katzen funktioniert) wunderbar scharf ist.
Und dann war da noch die Empfindlichkeit.
Trotz ISO 12500 zeigt diese Aufnahme feine Mikrodetails und eine wunderbare Dreidemensionalität. Ganz besonders klar wird das, sobald man sich die Augen, ebenso wie die Schnurrhaare ansieht.
In den Augen ist immernoch die feine Zeichnung der Iris zu erkennen, ebenso wie die glänzenden Details um das Auge herum.
Bei den zweifarbigen Schnurrhaaren siehst man schön den Farbverlauf von schwarz nach weiß. Selbst die ganz feinen Schnurrhaare sind deutlich erkennbar.
MIT DER HAND IN DER HOSENTASCHE
Zwischenrein müssen wir jetzt aber noch über etwas anderes sprechen. Nach und nach bemerke ich nämlich, dass sich eines überhaupt nicht bemerkbar macht: Das Handling.
Mit Sicherheit kennst du Leica (mindestens) vom Sehen und bist nicht durch Zufall hier gelandet. Wie viele andere, mich eingeschlossen, hast du dir bestimmt schon die Frage gestellt, ob diese Kameras mit ihrem „Retro Kameragehäuse“ überhaupt noch zeitgemäß sind. Die Leica Q2 orientiert sich mit ihrer Form an den großen Schwestern der M-Serie. Die Ähnlichkeit ist nicht abzustreiten. Es muss aber doch einen Grund haben, warum viele andere Hersteller besonders ergonomische Griffe machen, oder…?
Ich sag es mal so: Die kreisrunde Form des Rades gibt es auch schon ein paar Jahrtausende. Doch niemand käme auf die Idee diese anzuzweifeln. Es steht ausser Frage, dass es unübertroffen die beste Form für dieses Objekt und seinen Verwendungszweck ist.
Damit möchte ich jetzt nicht zum Ausdruck bringen, dass Leica damit die beste Form für ein Kameragehäuse erschaffen hat. Jedoch funktioniert das zeitlose Design in meinen Augen hervorragend. Zum einen fällt man damit kaum auf. Zum anderen hat Leica damit ein Kameragehäuse gebaut, das durch Linien und Rundungen sowohl für große, als auch kleine Hände funktioniert.
Die Daumenmulde auf der Rückseite gibt zusätzlichen Halt. Möchte man etwas mehr Sicherheit, kann man eine zusätzliche Daumenstütze aufstecken. Durch die klare Anordnung der Einstellräder und Tasten lässt sich die Leica Q2 nach kurzer Zeit intuitiv verwenden. Zu keiner Zeit habe ich das Gefühl, dass mir die Q2 zu schwer, oder unbequem wird. Wenn ich die Kamera gerade nicht verwende, baumelt sie Locker um den Hals, oder über der Schulter. Offen getragen, oder versteckt hinter dem Arm, mit der Hand in der Hosentasche.
VERWEGEN DEM REGEN ENTGEGEN
Da wäre aber auch noch, dass die Q2 „wasserdicht“ ist. Genauer gesagt ist die Kamera nach Schutzklasse IP52 geschützt. Das bedeutet, dass die sie vor Staub in schädigender Menge, ebenso wie gegen Tropfwasser geschützt ist. Aber Obacht! Das gilt nur bis zu einer Gehäuseneigung bis zu 15 °. Nun bin ich niemand, der unbedingt bei Regen vor die Tür geht, um zu Fotografieren. Jedoch möchte ich mich nicht nach dem Wetter richten. Die Q2 hat bei mir schon mehrere Regenschauer völlig problemlos überstanden.
Der Alltag
Lass uns aber mal über die Fellnasen hinaus schauen. Auch wenn ich mich wiederhole, möchte ich erneut auf die Frage eingehen, warum es mir überhaupt so wichtig ist, immer eine Kamera dabei zu haben? Zum einen habe ich nicht immer die Zeit, um einen Fotowalk zu starten. Zum anderen habe ich festgestellt, dass mir auf alltäglichen Wegen immer wieder Momente begegnen, die ich gerne mit einer „richtigen“ Kamera fotografieren möchte, nicht mit einem Smartphone.
Dieses Bild entstand zum Beispiel auf dem Weg zur Arbeit. Zwei mal in der Woche kam ich an diesem See vorbei, der etwa 45 Minuten von zu Hause entfernt liegt.
Also kein Ort „nebenan“ zu dem ich mal eben aufbreche. Doch eines Morgens fuhr ich erneut daran vorbei. Die Sonne stand perfekt und noch dazu lag sanfter Nebel über dem See.
So habe ich eben am Fahrbahnrand angehalten, die Leica Q2, welche immer griffbereit auf dem Beifahrersitz liegt, genommen und dieses Bild gemacht.
Ja du hast richtig gelesen. Auf dem Beifahrersitz. Nicht im Rucksack, nicht in der Tasche, und vor allem nicht zu Hause weil zu schwer, oder zu klobig.
Oft genug habe ich Momente vorbeiziehen lassen müssen, weil ich zu bequem war das schwere Kameraequipment mitzunehmen. Oft auch, weil dieses durch die Größe zu auffällig gewesen wäre, um damit einfach irgendwo „reinzumarschieren“. Wenn man sich Personen mit einer großen Kamera und einem auffällig großen Objektiv nähert, zieht man ungewollt Aufmerksamkeit auf sich. Menschen beginnen damit, sich anders zu verhalten, oder die Person mit der Kamera zu beobachten. Nicht mit der Q2. Beim Spazieren, beim Shopping, im Café, im Restaurant. Sie ist einfach immer dabei und wird auch nicht immer wieder in die Tasche gepackt. Dabei fügt sie sich völlig unscheinbar in die Umgebung ein, ohne das sich jemand daran stört, oder gar bedrängt fühlt.
Da geht aber noch mehr
Die Leica Q2 ist keine Sportkamera. Der Autofokus funktioniert sehr gut. Sobald ausreichend Licht vorhanden ist, sitzt er punktgenau dort, wo man ihn haben will. Er tut sich aber mit Objekten die sich schneller bewegen etwas schwer. Dennoch ist allerlei Unfug möglich.
Das folgende Bild kann man auf viele Arten erstellen. Zum Beispiel mit einem Fotografen der im Kofferraum eines fahrenden Autos auf den Auslöser drückt. Oder man macht es wie ich und schnallt die Q2 an die Heckscheibe eines Autos und löst diese per Leica Fotos App fern aus. Die Ergebnisse kann man auch gleich in der App anzeigen lassen, oder zB direkt in Lightroom Mobile öffnen und bearbeiten.
Alles elektronisch und automatisch
Ja und nein. Um den EVF kommt man nicht herum. Einen rein optischen Sucher gibt es nicht. Dennoch ist das Sucherbild hervorragend klar. Er lässt sich
sogar dahingehen konfigurieren, dass sich Einstellungsänderungen (zB ein dunkleres Bild wegen einer kürzeren Belichtungszeit) sofort im Sucher auswirken, oder erst bei halb gedrücktem Auslöser.
Beim Auslösen erscheint kurz ein schwarzes Bild. Typisch für elektronische Sucher. Dieser Moment ist aber vernachlässigbar kurz.
Beim Anfertigen von Serienaufnahmen ist dieser Moment zwar auch vorhanden, jedoch nur einmal kurz nach dem Auslösen. Danach bleibt das Sucherbild, trotz gedrücktem Auslöser, dauerhaft sichtbar. Das Verhalten für den LiveView ist identisch.
Manuelles Fokusieren inkl. Fokus Peaking ist natürlich auch möglich. Gerade in schwierigen Situationen, wie zum Beispiel blendendem Gegenlicht ist das äußert hilfreich.
Lässt man den Autofokus an, so hat man eine fantastische Point&Shoot Kamera.
Hat die Q2 den "Leica Look"?
Was ich dir sagen kann, ist, dass diese Kamera für mich eine unverwechselbare Bildwirkung hat. Ich glaube, da kommt einfach vieles zusammen. Die Farbwiedergabe ist mit am nächsten an dem, was ich mit meinem Auge wahrnehme. Das hatte ich bisher bei keiner anderen Kamera.
Die Art und Weise, wie sich die Schärfe in den Bildern bemerkbar macht, ist meines Erachtens auf höchsten Niveau für solch ein System.
Nehmen wir das Bild dieser Kaktusblüte. Ganz klar, es ist scharf. Aber siehst du die vielen kleinen Details? Die Zeichnung auf den Blütenblättern und dem Blattgrün? Das sind alles Kontraste. Würde man diese überzeichnen, ginge ganz viel der Zartheit dieses Motivs verloren. Nicht so bei der Q2.
Ernsthaft! Der Leica Look?!?!?!
Die Frage nach dem Leica Look möchte ich dir nach 382 Tagen mit meiner ersten Leica nicht in einem Nebensatz beantworten.
Bitte sei mir deshalb nicht böse. Die Sache mit dem Leica Look benötigt mehr Raum, als dieser Artikel dafür hergibt.
Womöglich hast du aber mitbekommen, dass ich jüngst die Chance hatte eine Leica M11 zu testen. Ziehe ich diese Erfahrung nun heran und vergleiche die Bilder beider Kameras miteinander, so kann ich dir eindeutig sagen, dass sehr deutlich zu sehen ist, dass die Q2 ihre Herkunft im Hause Leica hat.
Zwar performed die M11 auf einem nochmal höheren Level, jedoch finden sich die oben genannten Bildcharakteristiken in den Bildern beider Kameras sofort wieder.
"Kompaktkamera"-Fazit
Ich bin mir sicher, dass auch du bereits spürst, warum der Begriff „Kompaktkamera“ der Leica Q2 nicht gerecht wird. Meines Erachtens ist die Qualität, mit der dieses Kamerasystem Bilder auf den 47 Megapixel fassenden Kleinbildsensor bannt, einzigartig.
Nach knapp 10000 geschossenen Fotos kann ich, ohne zu lügen, behaupten, dass die Leica Q2 (m)eine hervorragende tägliche Begleiterin ist. Eine kleine, robuste und zuverlässige Vollformat Kamera mit herausragender Verarbeitung. Das 28mm Summulix sucht seines Gleichen. Ernsthaft. Da saß bestimmt jemand bei Leica und hat gedacht „da packen wir jetzt ein sensationell gutes Objektiv drauf, damit auch bloß niemand sagen kann, dass wir an der Optik gespart haben“. Die Linse ist scharf bis zu den Rändern, hat so gut wie keine wahrnehmbare Verzeichnung und keine Randabschattung.
Es gibt aber auch einem Punkt der mich stört: Ich hätte gerne die Möglichkeit die Geschwindigkeit des Autofokus einzustellen. Gerade im AFc, also beim Nachführen bewegter Objekte, ist der Autofokus zu nervös und pumpt viel vor und zurück. Selbst wenn sich das Motiv nur von links nach rechts bewegt, erzeugt dieses Pulsieren zu viel Ausschuss. Hier sollte Leica eindeutig nachbessern und mehr auf seine Zielgenauigkeit vertrauen, denn beim AFs sitzt die Schärfe immer schnell und sicher auf dem Motiv.
Lass uns noch kurz über den Preis sprechen. Auch mir erschienen knapp 6.000 Euro erst einmal viel Geld für ein solches Kamerasystem. Man erhält jedoch ein überragend gutes Paket aus Kamera und Objektiv. Ein Paket, das es hinsichtlich seiner Qualität sogar mit dem ein oder anderen M-System aufnehmen könnte. Ein Paket, das vermutlich sehr viel teurer wäre, wenn die Objektive auswechselbar wären.
Life Changer Q2
Neben der technischen Seite gibt es aber auch ganz klar noch eine emotionale Seite für mich. Nach einem Jahrzehnt beruflicher Fotografie und einer mehrjährigen Pause danach, hat die Leica Q2 in mir wieder die Leidenschaft am Fotografieren geweckt. Zwar hatte ich auch zu beruflichen Zeiten Spass an der Fotografie, die Momente in denen ich aber „einfach mal so Fotografieren gegangen bin“ waren verschwindend gering. Keine andere Kamera vor der Q2 hat es geschafft, mich so zu inspirieren.
Zudem ist diese Kamera zu einem Accessoire geworden. Damit meine ich nicht, dass ich sie wie ein Schmuckstück trage und vorzeige. Sie ist für mich in positiver Hinsicht so alltäglich geworden wie ein Portemonaie, oder ein Schlüsselbund.
Oder, was noch besser passt, Kopfhörer! Jeder der mich auch nur 5 Minuten länger kennt weiß, dass ich das Haus nie ohne Kopfhörer verlasse. Ich habe immer Musik dabei. Ich höre nahezu immer Musik, egal wo ich hingehe.
Genau so ist es jetzt auch mit der Leica Q2. Sie ist immer dabei. Jederzeit bereit ein Foto zu machen.
Nachwort
Es gibt weder äußeren Einflüsse, noch monetären Hintergründe für die Q2 Artikelserie. Ich habe die Leica Q2 aus eigener Tasche bezahlt. Der Dreiteiler basiert auf meinen Erfahrungen und Erlebnissen. Ich habe diese Artikelserie geschrieben, weil mir die Leica Q2 die Türe in eine ganz besondere Welt geöffnet hat.
Wie bereits eingangs geschrieben bin ich erst seit 382 Tagen Leica Fotograf. Ich durfte jedoch bereits nach kürzester Zeit ganz besondere Menschen kennenlernen, welche mich in dieser Welt, der Leica Welt, aufgenommen haben.
Diese Erfahrungen und die jüngst entflammte Begeisterung für „Leicas“ sind der Grund, warum ich die Artikel geschrieben habe. Sollte diese Begeisterung nicht enden, werden auch noch weitere Artikel folgen.
Ich hoffe, dir hat dieser Dreiteiler gefallen!
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